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Pressestimmen
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Niobe und ihre Kinder
Die Romanchronik âNiobe und ihre Kinderâ entlehnt den Namen fĂŒr die Hauptfigur der antiken Sage. Niobe ist der Name einer thebanische Königin, die so stolz auf ihre vielen Kinder war,
dass sie in Konkurrenz zu den Göttern treten wollte. Diese rÀchten sich furchtbar und töteten sie alle. Aus Schmerz wurde Niobe zu Stein.
Die Frau, die im Mittelpunkt dieser Familienchronik steht, könnte Niobe heiĂen, hat aber keinen Namen. Vom Ende des 19. Jh. ragt sie in das 20. Jh. hinein, ĂŒberdauert die beiden Weltkriege,
erleidet schwere SchicksalsschlĂ€ge und stirbt dennoch erst im hohen Alter. Wie lĂ€sst sich ein solches Leben ertragen, in dem man keine Ursache fĂŒr so viel Leiden erkennen kann? Das ist die
Frage, die der Ich-ErzĂ€hler an sie und an ihre Kinder stellt. Auch deren Leben ist voller Schwierigkeiten und EnttĂ€uschungen. Wo ist Sinn, wenn das, was GlĂŒck verspricht, sich ins
Gegenteil verkehrt, wenn das, was verheiĂungsvoll beginnt, am Ende seine Versprechen nicht hĂ€lt, auch wenn es Pausen gibt, in denen sich die Geschehnisse freundlich entwickeln.
Als Enkel rekonstruiert und erfindet der ErzÀhler das Geschehen, das so zwischen Bericht und Fiktion changiert, und erlebt es von ferne und aus der NÀhe mit. Es spielt im Rheinland, in der
NÀhe von Köln, in der Wahner Heide und erhÀlt so ein rheinisch-katholisches Kolorit. Manche der Personen beherrschen nicht einmal das Hochdeutsche und reden im Dialekt, was allerdings
vielen Situationen das DrĂŒckende nimmt und ihnen immer wieder einen Anschein von Humor und Optimismus verleiht.
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Leseprobe:
Als es so weit war und die MöbeltrÀger Zimmer um Zimmer leer rÀumten, die Bilder abhÀngten, dabei das Glas der blauen Muttergottes zerbrachen, die auf dem Vertiko gestanden hatte und fortan unverglast
weiter darauf stehen sollte, und alles im Möbelwagen verstauten, da war die GroĂmutter ruhig und gefasst. Durch die Fensterscheiben schien das Mittagslicht, Staub tanzte in den schrĂ€gen Lichtbahnen,
die durch die Zimmer fielen und manche der leeren Ecken heller erleuchteten, manche im DĂ€mmer lieĂen. GroĂmutter und die Eltern gingen durch die immer leerer werdenden Zimmer, und ihre Schritte und
Stimmen hallten. Staubflocken lagen in groĂen BĂŒscheln am Boden, und an den Tapeten zeigten sich die Streifen, an denen man sehen konnte, wo KleiderschrĂ€nke, Vertiko, Sofa und Betten gestanden hatten.
âJetz ben ich 68 Johrâ, sagte die GroĂmutter wie zu sich selbst, âun en dem Huus han ich 35 Johr jelevv. De Papa loĂen ich he om Kirchhof, un unse Johann un unse kleene Deedor och. Nu moĂ ich
fottjonn!â
Dann war das Haus völlig leergerĂ€umt, und die GroĂmutter holte sich Besen, Schrubber, Scheuerlappen und Wasser am Brunnen, schickte die Eltern mit uns Kindern dem Möbelwagen, als er abfuhr, hinterher,
duldete keine Hilfe und begann das Haus zu reinigen. WĂ€hrend der Vater das Fahrrad, auf dem meine Schwester saĂ, und meine Mutter den Kinderwagen mit mir dem neuen Haus entgegenschoben, putzte sie das
alte Zimmer fĂŒr Zimmer, fegte Spinnweben und Staub, lag auf den Knien und sĂ€uberte Ecken und Treppen, und es war, als reinige sie es von allem Gewesenen. Als alles sauber war, da mochte es ihr
scheinen, als wĂ€re nie etwas darin gewesen und nie etwas darin geschehen, und es stand offen fĂŒr Wind und Wetter, neues Leben und neuen Tod, aber sie trug, als sie ging, ihr Leben mit sich. Was mit dem
Haus geschah, das ging sie nun nichts mehr an. Sie schaute nicht zurĂŒck, und sie kehrte nie wieder zurĂŒck.
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